Unternehmen müssen sich neuen Herausforderungen stellen – eine besondere Aufgabe fällt dabei den Aufsichtsräten zu. Es kommen ständig neue Bereiche dazu, wie etwa ESG, Digitalisierung und die Geopolitik. Die entsprechenden Kompetenzen müssen aufgebaut werden. Aufgrund der zunehmenden Regulatorik, bedingt durch verschärfte Anforderungen im Zuge des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und der Neufassung des DCGK, die die Offenlegung einer Qualifikationsmatrix empfiehlt, hat das Thema seit einigen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.
1. Qualifikationen für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Die Gleichzeitigkeit von Themen wie geopolitischer Krisen, ihre Auswirkungen auf Märkte und Lieferketten und insbesondere die rasanten Fortschritte bei der Anwendung von Artificial Intelligence wirken sich folglich auch auf die notwendigen Qualifikationen für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats aus. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten der befragten Aufsichtsräte die Wichtigkeit von Kenntnissen im Bereich Digitalisierung und AI mit insgesamt 79 Prozent angeben. Daneben haben Nachhaltigkeitsaspekte und Kenntnisse in Cyber- und Informationssicherheit (jeweils 60 Prozent Relevanz) sowie Erfahrungen im Bereich Finanzen, Bilanzierung, Rechnungswesen, Rechnungslegung und Abschlussprüfung (59 Prozent Relevanz) nahezu eine gleich hohe Gewichtung. Dem folgen Industrieexpertise (45 Prozent Relevanz) und Transformationskompetenz (41 Prozent Relevanz), gefolgt von Governance-Strategie (36 Prozent Relevanz), Kapitalmarktexpertise (34 Prozent Relevanz), Innovation, Forschung und Entwicklung (32 Prozent Relevanz), Leitungskompetenz im Gremium (31 Prozent Relevanz), Teamfähigkeit sowie Recht und Compliance (jeweils 30 Prozent Relevanz), Human Resources (26 Prozent Relevanz), Procurement, Lieferkette und Logistik (11 Prozent Relevanz).
Zusätzlich werden als weitere Qualifikationen, die in der näheren Zukunft besonders wichtig sein werden, Kenntnisse im Bereich Vertrieb/Wachstum, IT (allgemein), Investor Relations, Strategieentwicklung im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens und das CEO-Profil im Freitext genannt.
Im Fall von Industrieexpertise messen die börsennotierten Unternehmen dem Thema eine größere Rolle zu als die nicht-börsennotierten Unternehmen (60 versus 40 Prozent Anteil). Anders sieht es bei den Themen Governance-Strategie (58 versus 42 Prozent), Innovation, Forschung und Entwicklung (60 versus 40 Prozent), sowie Procurement, Lieferkette und Logistik (68 versus 32 Prozent) aus, dem die nicht-börsennotierten Unternehmen eine deutlich höhere Relevanz zuordnen, als dies bei den Vertretern von Unternehmen mit Börsennotierung der Fall ist.
Abbildung 3: Welche Qualifikationen werden in der näheren Zukunft besonders wichtig sein für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und sollten daher in diesem abgebildet sein?
2. Erfolgskriterien für einen modernen Aufsichtsrat
An den modernen Aufsichtsrat werden hohe Maßstäbe gelegt. Aufsichtsräte sehen sich mit einem zunehmend differenzierten und vielfältigen Themenspektrum konfrontiert. Diese Entwicklungen erfordern neue Kompetenzen, die für die Arbeit des modernen Aufsichtsrats unabdingbar sind. Gefragt nach den Erfolgskriterien, geben 73 Prozent der befragten Aufsichtsräte Interaktion mit dem Vorstand an. Dem folgen die Aspekte Fachkompetenz (72 Prozent Relevanz), Zusammensetzung/Kompetenz/Größe (65 Prozent Relevanz), Rollenverständnis des Vorsitzenden und Kritische Selbstevaluation (jeweils 48 Prozent Relevanz), Onboarding, Aus- und Fortbildung (34 Prozent Relevanz), Nachfolgeplanung (28 Prozent Relevanz), Ausschussstruktur (27 Prozent Relevanz) und Vergütung des Aufsichtsrats (12 Prozent Relevanz). Zu den anderen Erfolgsfaktoren, die zusätzlich im Freifeldtext genannt werden, gehören Strategiekompetenz, Diversität, Gesprächskultur, Vertrauen in die unterschiedlichen Kompetenzen und Rollen, Engagement der einzelnen Mitglieder sowie Interaktion im Gremium.
Abbildung 4: Was sind die wichtigsten Erfolgskriterien für einen modernen Aufsichtsrat?
3. Aus- und Fortbildung des Aufsichtsrats
Die Mitglieder des Aufsichtsrats nehmen die für ihre Aufgaben erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen eigenverantwortlich wahr. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt, dass die Gesellschaften die Aufsichtsratsmitglieder dabei angemessen unterstützen, damit sie ihre Arbeit entsprechend verantwortungsvoll und zukunftsorientiert ausüben können. Mit Blick auf die Regelung der Aus- und Fortbildung, antworten 39 Prozent der befragten Aufsichtsräte, dass die Aufsichtsratsmitglieder für die Organisation selbstständig verantwortlich sind und auch die Kosten selbst tragen. Der Unterschied zwischen den Aufsichtsratsgruppen ist hier nur minimal (37 Prozent Anteil bei den börsennotierten Unternehmen versus 40 Prozent Anteil bei den nicht-börsennotierten Unternehmen). 36 Prozent geben an, dass die Organisation inklusive der Kosten durch das Unternehmen übernommen wird, bei den börsennotierten Unternehmen sind es sogar 42 Prozent. Weitere 25 Prozent geben an, dass die Kostenübernahme durch das Unternehmen erfolgt, eine Organisation jedoch selbst vorgenommen werden muss. Der Unterschied zwischen börsennotiert (21 Prozent) und nicht-börsennotiert (31 Prozent) fällt hier relativ groß aus.
Abbildung 5: Wie ist in Ihrem Unternehmen die Aus- und Fortbildung für Aufsichtsratsmitglieder geregelt?
4. Qualifikationsmatrix des Aufsichtsrats
Folgende Ergebnisse unserer Umfrage unterstreichen den hohen Stellenwert der Qualifikationsmatrix mit Blick auf das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats. Mit der Neufassung des DCGK wurden die Anforderungen an die Umsetzung des Kompetenzprofils des Aufsichtsrats konkretisiert, indem der Stand der Umsetzung bei der Ausfüllung des Kompetenzprofils in Form einer Qualifikationsmatrix offengelegt werden soll. So sind die Kenntnisse und Kriterien der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder im Vergleich zu den im Kompetenzprofil geforderten Fähigkeiten in einer tabellarischen Übersicht darzustellen. Danach gefragt, wie groß der Einfluss der Qualifikationsmatrix auf die Auswahl und Zusammensetzung in ihrem Aufsichtsrat ist, erachtet die Mehrheit den Einfluss als sehr wichtig oder wichtig: 79 Prozent der börsennotierten und 61 Prozent der nicht-börsennotierten Unternehmen. Dagegen sagen 18 Prozent der börsennotierten und sogar 26 Prozent der nicht-börsennotierten Unternehmen der Stellenwert sei ohne Einfluss oder eher weniger wichtig. Für unwichtig halten es 4 Prozent der börsennotierten und sogar 9 Prozent der nicht-börsennotierten Unternehmen.
Abbildung 6: Wie groß ist der Einfluss der Qualifikationsmatrix auf die Auswahl/Zusammensetzung in Ihrem Aufsichtsrat?
5. Nachhaltigkeit in der Ausschussstruktur
Bei der Anpassung des Deutschen Corporate Governance Kodex wurde ein wesentliches Augenmerk auf die Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Unternehmensführung gelegt. Mit Blick auf die verstärkte Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmensführung wird vom Aufsichtsgremium zunehmend besondere Sachkunde gefordert. Gefragt, wie das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Ausschuss-/Qualifikationsstruktur verankert ist, geben 61 Prozent der befragten Aufsichtsräte nicht-börsennotierter Unternehmen an, dass es keinen eigenen Ausschuss dafür gibt, während dies bei nur 30 Prozent der Antwortenden börsennotierter Unternehmen der Fall ist. Bei 32 Prozent der börsennotierten Unternehmen wird das Thema Nachhaltigkeit vom Audit-Ausschuss mitbehandelt (nicht-börsennotiert: 9 Prozent) und bei 18 Prozent der börsennotierten Unternehmen ist sogar ein eigener Nachhaltigkeitsausschuss im Unternehmen vorhanden (4 Prozent bei den nicht-börsennotierten Unternehmen). Die Behandlung des Themas im Strategie-Ausschuss trifft bei 7 Prozent der börsennotierten Unternehmen zu (bei 9 Prozent der nicht-börsennotierten Unternehmen). Bei 5 Prozent der börsennotierten Unternehmen bildet ein einzelnes Mitglied diese Kompetenz führend ab und ist verantwortlich (7 Prozent bei den nicht-börsennotierten Unternehmen). Bei weiteren 5 Prozent der börsennotierten Unternehmen wird das Thema vom Präsidial-Ausschuss mitbehandelt (7 Prozent bei den nicht-börsennotierten Unternehmen). Bei 4 Prozent der nicht-börsennotierten Unternehmen wird Nachhaltigkeit von einem sonstigen Ausschuss mitbehandelt, während dies bei börsennotierten Unternehmen nicht vorkommt, von denen 2 Prozent sogar einen eigenen Nachhaltigkeitsausschluss planen (keine Nennung dazu bei nicht-börsennotierten Unternehmen).
Abbildung 7: Wie ist das Thema Nachhaltigkeit in Ihrer Ausschuss-/Qualifikationsstruktur verankert?