Mit einer wegweisenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof am 8. Dezember 2022 (IX ZB 72/19) das deutsche internationale Insolvenzrecht maßgeblich weiterentwickelt und klargestellt, dass in Drittstaaten gestellte Insolvenzanträge effektive Maßnahmen zum Schutz des Schuldnervermögens durch ein Insolvenzverfahren in Deutschland nicht blockieren können.
Damit geht zugleich eine mehrjährige gerichtliche Auseinandersetzung um die internationale Zuständigkeit für ein Insolvenzverfahren zu Ende. Hintergrund ist die Restrukturierung der Galapagos-Gruppe mit Standorten in Bochum und Herne im Oktober 2019. Der Gesellschafter der Galapagos-Gruppe wollte die Restrukturierung im Wege eines scheme of arrangement verbunden mit einem administration-Verfahren nach englischem Recht durchführen und damit Forderungen bestimmter Gläubiger abschneiden. Zusammen mit einigen anderen Gläubigern unternahm der Gesellschafter zunächst Schritte, um die Hauptverwaltung der Galapagos-Gruppe nach England zu verlegen. Sodann wurde bei dem englischen High Court ein Insolvenzantrag gestellt. Bevor der High Court über diesen entschied, wurde die Hauptverwaltung jedoch nach Düsseldorf verlegt. Das Amtsgericht Düsseldorf eröffnete das Insolvenzverfahren und bestellte Dr. Frank Kebekus zum Insolvenzverwalter.
Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf bestätigt. Er entschied, dass der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Drittstaat nach deutschem internationalen Insolvenzrecht in Deutschland keine Sperrwirkung entfaltet. Zuvor hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (C-723/20) auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass die nach europäischem Insolvenzrecht grundsätzlich gegebene Sperrwirkung eines in England gestellten, aber nicht beschiedenen Insolvenzantrags mit Ablauf des Brexit-Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 entfallen ist.
Hengeler Mueller hat Dr. Frank Kebekus als Insolvenzverwalter in dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof sowie dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union begleitet. Tätig waren die Partner Dr. Carsten van de Sande (Dispute Resolution, Frankfurt), Dr. Martin Tasma (Restrukturierung, Berlin), Dr. Mathäus Mogendorf (Dispute Resolution, Berlin), Dr. Matthias Hentzen (Gesellschaftsrecht/M&A, Düsseldorf) und Dr. Johannes Tieves (Restrukturierung, Frankfurt) sowie die Associates Dr. Anabel Harting, Dr. Alexander Ruckteschler, Robert Schimmelpfennig (alle Dispute Resolution, alle Frankfurt), Fabian Berdin, Dr. Moritz Müller-Leibenger, Dr. Nicolas Kutscher und Dr. Jasper Bothe (alle Restrukturierung, alle Berlin).
Vor dem Bundesgerichtshof wurde der Insolvenzverwalter vom Rechtsanwalt beim BGH Professor Dr. Christian Rohnke (Rohnke Winter, Karlsruhe) vertreten.