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Regierungsentwurf für ein neues Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland | Hengeler Mueller News
Interne Untersuchungen, Krisenmanagement und Compliance

Regierungsentwurf für ein neues Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland

Am 27. Juli 2022 hat das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet, mit dem die EU-Hinweisgeberrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Da sich die Vorgängerregierung bis zum Ablauf der Frist am 17. Dezember 2021 nicht auf einen Gesetzentwurf einigen konnte, hatte die Europäische Kommission ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der Gesetzentwurf wird nun das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag durchlaufen und soll – nach dem derzeitigen Entwurf – drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht weitreichende Verpflichtungen für juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors vor, hinweisgebenden Personen umfassenden Schutz zu gewähren.

Anwendungsbereich und Zielsetzung

Während die EU-Hinweisgeberrichtlinie nur Anwendung auf Meldungen von Verstößen gegen das Unionsrecht findet, ist der Anwendungsbereich des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes weiter gefasst und gilt auch für bestimmte Verstöße gegen nationales Recht. Insbesondere erstreckt sich der durch das Gesetz gewährte Schutz auf jegliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Ebenfalls erfasst sind Kartellrechtsverstöße und bestimmte weitere Verstöße gegen nationales und Unionsrecht. Verstöße fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs, wenn sie im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit begangen wurden.

Zielsetzung des Gesetzentwurfs ist der Schutz von Personen, die in einem breit gefassten berufsbezogenen Zusammenhang (z. B. im Rahmen von Einstellungsverfahren) Informationen über vorgenannte Verstöße erlangt haben und diese an die im Gesetz vorgesehenen Meldekanäle melden oder offenlegen. Zudem soll der Gesetzentwurf dem Schutz von Personen dienen, die Gegenstand einer Meldung sind, sowie dem Schutz sonstiger Personen, die von einer Meldung betroffen sind.

Interne und externe Meldungen und Offenlegung

Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz sind bestimmte Beschäftigungsgeber zur Einrichtung interner Meldestellen und bestimmte Behörden auf Bundes- und Länderebene zur Einrichtung externer Meldestellen verpflichtet. 

Hinweisgebende Personen können frei wählen, ob sie sich an eine interne oder eine externe Meldestelle wenden. Die internen Meldestellen haben für hinweisgebende Personen klare und leicht zugängliche Informationen über externe Meldekanäle und einschlägige Meldeverfahren von Einrichtungen der Europäischen Union bereitzuhalten.

Der Gesetzentwurf schützt hinweisgebende Personen, die Informationen offenlegen, sofern zuvor eine Meldung über einen externen, d. h. von einer Behörde eingerichteten, Meldekanal erfolgt ist und keine ordnungsgemäßen Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder die hinweisgebende Person keine Rückmeldung erhalten hat. Ein Schutz besteht auch für Offenlegungen, wenn die Erstattung einer externen Meldung aus eng definierten Gründen nicht angemessen erschien.

Vorgaben für die Meldekanäle

Vorbehaltlich bestimmter Schwellenwerte werden Beschäftigungsgeber in allen Branchen und Sektoren (Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern) verpflichtet, eine interne Meldestelle und die erforderlichen Kanäle einzurichten. Diese Vorgabe gilt für Beschäftigungsgeber in bestimmten Sektoren, z. B. für Kapitalverwaltungsgesellschaften, unabhängig von der Anzahl ihrer Beschäftigten. Sollte das Gesetz in Kraft treten, gelten diese Verpflichtungen unverzüglich für alle Beschäftigungsgeber mit Ausnahme derjenigen mit 50 bis 249 Beschäftigten, für die sie ab dem 17. Dezember 2023 gelten werden.

Die interne Meldestelle kann von bei dem Beschäftigungsgeber beschäftigten Personen oder von Dritten betrieben werden. Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten können Meldestellen gemeinsam mit anderen Beschäftigungsgebern betreiben. Anstelle der Einrichtung von Meldestellen in den einzelnen Unternehmen können Konzerne Meldestellen vorbehaltlich bestimmter Vorgaben auch zentral einrichten.

Die Meldekanäle müssen sowohl mündliche als auch schriftliche Meldungen ermöglichen. Hinweisgebende Personen können auch um ein persönliches Treffen bitten, um Meldung zu erstatten. Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält zwar keine Verpflichtung, anonyme Meldungen zu ermöglichen, schützt aber Personen, die Informationen über Verstöße anonym melden, selbst wenn sie anschließend identifiziert werden. Interne und externe Meldestellen sind nicht verpflichtet, anonymen Meldungen nachzugehen, sollen ihnen jedoch nachgehen, wenn sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um dies zusätzlich zur Bearbeitung von nichtanonymen Meldungen zu tun.

Zu den Verpflichtungen der internen und externen Meldestellen gehört es, die Meldungen zu bewerten, der hinweisgebenden Person innerhalb bestimmter Fristen eine Rückmeldung zu geben und geeignete Folgemaßnahmen zu ergreifen, z. B. eine Untersuchung einzuleiten. Die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person ist zu wahren, sofern nicht eine der im Gesetz festgelegten Ausnahmen einschlägig ist. Beamte, die externe Meldekanäle betreiben, können von Unternehmen und Behörden Informationen anfordern, um die Richtigkeit der Meldungen überprüfen zu können. Sie können den Fall auch an eine zuständige Behörde zur weiteren Untersuchung abgeben. 

Schutzmaßnahmen und Durchsetzung

Nach dem Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes sind hinweisgebende Personen dann geschützt, wenn sie entsprechend den Vorgaben des Gesetzes intern oder extern Meldung erstattet oder einen Verstoß offengelegt haben und hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten oder offengelegten Informationen in Bezug auf einen Rechtsverstoß im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes der Wahrheit entsprachen. Ferner gilt:

  • Eine hinweisgebende Person kann nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf gemeldete oder offengelegte Informationen rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung oder der Zugriff nicht eine Straftat darstellt.

  • Eine hinweisgebende Person verletzt durch die bei einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Weitergabe von Informationen keine Offenlegungsbeschränkungen und kann dafür nicht rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder Offenlegung der Informationen erforderlich war, um einen Verstoß im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes aufzudecken.

  • Der Gesetzentwurf verbietet jegliche Art von gegen hinweisgebende Personen gerichteten Repressalien. Erleidet eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. In diesem Fall liegt die Beweislast, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte bzw. keine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung darstellte, bei der Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat. Wenn Repressalien gegen die hinweisgebende Person ergriffen werden, hat diese Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens.

  • Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen melden, sind nicht durch das Hinweisgeberschutzgesetz geschützt und haften für Schäden, die sich aus den unrichtigen oder irreführenden Informationen ergeben.

  • Die Verletzung bestimmter Verpflichtungen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Behinderung oder versuchte Behinderung von Meldungen, die Ergreifung von Repressalien gegen hinweisgebende Personen und die Nichtwahrung der Vertraulichkeit der Identität von hinweisgebenden Personen können mit einer Geldbuße von bis zu EUR 100.000 geahndet werden. Die zuständigen Behörden können eine Geldbuße von bis zu EUR 20.000 verhängen, wenn nicht dafür gesorgt wird, interne Meldekanäle einzurichten.

Wenn der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts in Kraft tritt, werden die Unternehmen in Deutschland wahrscheinlich prüfen, ob ihre bestehenden Meldekanäle den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprechen, und gegebenenfalls ihre Anstrengungen zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen beschleunigen. Unternehmen sind gut beraten, Anreize für ihre Mitarbeiter zu schaffen, vermutete Verstöße intern zu melden. Eine solche interne Meldung erlaubt es Unternehmen, mutmaßliches Fehlverhalten intern zu untersuchen, schnell Abhilfe zu schaffen und, falls dies gesetzlich oder im Interesse des Unternehmens erforderlich ist, auf einer angemessenen Tatsachengrundlage eine Selbstanzeige bei den Behörden zu erstatten.

Eine englischsprachige Newsletter-Fassung dieses Beitrags ist hier zu finden.

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