Das FINANCE Magazin hat unserem Partner Prof. Dr. Hans-Jörg Ziegenhain anlässlich seines Austritts aus dem aktiven Anwaltsberuf ein Porträt gewidmet. Darin zeichnet Esra Laubach nach, wie der bayerische Molkereisohn zu einem der führenden deutschen Dealmaker wurde und was der DB-Schenker-Verkauf für den Hengeler-Anwalt bedeutete. Lesen Sie hier das vollständige Porträt.
Nach dreieinhalb Jahren harter Arbeit ist es vollbracht: Der 14,8-Milliarden-Euro-Deal um DB Schenker ist unter Dach und Fach. Der dänische Logistikkonzern DSV übernimmt die Deutsche Bahn-Tochter - ein Meilenstein für die deutsche Logistikbranche und der größte Verkauf in der mehr als 150-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn, um zur Schuldenreduktion sowie zur strategischen Neuausrichtung des Konzerns beizutragen. Die Bahn setzte bei ihrem größten Deal auf unseren sechsten Top-Dealmaker: M&A-Anwalt Hans-Jörg Ziegenhain.
Für den 64-jährigen Hengeler-Mueller-Anwalt ist es der krönende Abschluss einer außergewöhnlichen Karriere. Nach einem aufwendigen Bieterprozess und der Zustimmung der Kartellbehörden, dass DSV übernehmen darf, wurde der Deal im April abgeschlossen. "Wenn das gut geht, dann will ich mein Schicksal nicht weiter testen", habe er zu sich gesagt, bevor der Deal besiegelt war. Das erzählt Ziegenhain im Gespräch mit FINANCE. Inhaltlich könne nichts Neues mehr kommen - Zeit für den Abschied aus dem aktiven Anwaltsleben.
Chemie, Diplomatie, Baker McKenzie
Ziegenhain kann sich eine ganze Reihe an erfolgreichen Deals auf die Fahne schreiben, wie etwa diverse Transaktionen für Knorr-Bremse, Siemens oder die Deutsche Börse. Nicht ohne Grund ist er im aktuellen Mergerlinks-Ranking auf Platz vier der Top-M&A-Anwälte der DACH-Region. Dabei war die Anwaltschaft für den gebürtigen Bayer gar kein Berufswunsch. Er wuchs in einer Molkereifamilie auf. Ursprünglich sollte er den väterlichen Betrieb übernehmen. Ziegenhain begann sogar ein Chemiestudium, um sich für die Übernahme zu wappnen.
Doch nach zwei Semestern wechselte er zu Jura. Sein Ziel: der diplomatische Dienst. Mit einem Schwerpunkt in Völker- und Europarecht, einer Station bei der deutschen Botschaft in New York und einer Promotion im Völkerrecht schien dieser Weg eine sichere Bank. Doch wie es so häufig kommt, kam die Liebe dazwischen - und mit ihr ein Kurswechsel, der die deutsche M&A-Landschaft nachhaltig prägen sollte.
Baker McKenzie: Internationales Flair statt Diplomatie
Um das internationale Umfeld nicht aufzugeben, führte Ziegenhains Weg Anfang der Neunzigerjahre zu Baker McKenzie - damals die einzige internationale Full-Service-Kanzlei in Deutschland. Er startete im Gesellschafts- und Kartellrecht, doch ein Artikel in der Financial Times über seinen Studienkollegen Maximilian Schiessl über den Typus "M&A-Anwalt" weckte seine Neugierde.
Zur gleichen Zeit erreichte die im M&A-Prozess mittlerweile zentrale Kaufpreisformel - die Discounted Cash Flow-Formel (DCF) - Deutschland. Sie begegnete ihm im Arbeitsalltag immer wieder. Doch er biss sich an ihr die Zähne aus. "Ich hatte sie nicht verstanden, was mir den Anlass gab, mich grundlegend damit zu beschäftigen, bis ich sie verstand", erinnert sich Ziegenhain. Diese Suche nach der richtigen Antwort und nach dem Verständnis finanzieller Bewertungen von Unternehmen und deren Zukunftsperspektiven markierte seinen Einstieg in seine erfolgreiche M&A-Karriere.
Sein wichtigster Mentor war Joachim Treeck, langjähriger Baker-McKenzie-Partner, der im Mai dieses Jahres verstarb. "Er hat mich geprägt wie kein anderer. Sein Motto war: Das Bessere ist des Guten größter Feind. Das spornte mich über all die Jahre immer wieder an."
"Schock in München": Ziegenhain verlässt Freshfields
Sein Ansporn wurde auch belohnt: 1997 wurde Ziegenhain Partner bei Baker McKenzie, zunächst in Frankfurt, ab 1998 in Düsseldorf. Doch 2001 zog es ihn zurück in die Heimatregion - zunächst zu Freshfields. Fünf Jahre später hieß es allerdings: "Schock in München". So titelte im Februar 2006 das Branchenmagazin "Juve" als bekannt wurde, dass der im Markt hoch angesehene Freshfields-Partner zu Hengeler Mueller wechselt.
Bei Hengeler im noch relativ neu eröffneten Münchener Büro fehlte noch das Lokalkolorit. Der im Markt als "Hansi" Ziegenhain bekannte M&A-Anwalt schien genau der richtige für diese Stelle. Er hatte schnell bei der deutschen Wirtschaftskanzlei Fuß gefasst, konnte aber kaum ahnen, dass eine 2008 aktuelle Transaktion seine herausforderndste werden sollte: der Verkauf von Hapag Lloyd durch Tui an das Hamburger Konsortium Albert Ballin. Ziegenhain war auf Verkäuferseite tätig - und seine juristische Exzellenz sollte das verkaufende Touristikunternehmen vor großem Schaden bewahren.
Nachdem man sich nach langen Verhandlungen auf einen für alle Seiten passenden Deal geeinigt hatte, konnte es zum Signing kommen. Riskanter Zufall: Die Transaktion wurde just an dem Tag abgeschlossen, als Lehman Brothers pleiteging und die globale Finanzkrise losgetreten wurde. Der Deal-Abschluss stand zwischenzeitlich auf wackligen Beinen. Am Ende ging er aber glücklicherweise über die Ziellinie.
"Dass unser Verkaufsvertrag in der Krise gehalten hat, war das Entscheidende", blickt Ziegenhain zurück. Der Käufer konnte keine Lücke finden, um vom Kaufvertrag zurückzutreten - ein juristisches Meisterwerk in stürmischen Zeiten.
Finanzkrise: Ziegenhain pausierte auf dem Rad
Ziegenhain hat mehrere Wirtschaftskrisen in seiner Karriere miterlebt: das Platzen der Dotcom-Blase, die Finanzkrise 2008 und die Coronavirus-Pandemie. Einen wirklichen Einschnitt erlebte er nur bei einer Krise: "Die Finanzkrise war für uns M&A-Anwälte eine Saure-Gurken-Zeit - das einzige Mal in meiner Laufbahn, in der ich drei, vier Monate nichts zu tun hatte." Eine perfekte Gelegenheit für außergewöhnliche Projekte: Er machte seine erste Alpenüberquerung. Mittlerweile hat er die Alpen bereits dreimal mit seinem Mountainbike überquert.
Doch schnell nahm das Geschäft wieder Fahrt auf. Das vertrauensvolle Netzwerk zu Private-Equity-Häusern wie CVC, Bain Capital, Advent International sowie zugleich zu großen Corporates zahlte sich aus. Über die Jahre wandelte sich allerdings sein Mandantenstamm: In den Neunzigerjahren lag sein Fokus klar bei Private-Equity-Häusern, darunter mischten sich auch große Corporates. Doch mit der Zeit entwickelte sich ein neues Mandantenprofil: Unternehmerfamilien.
Von Private Equity zu Familien-Dynastien
Ziegenhain erklärt diesen Shift mit dem Alter. "Familien suchen eher nach ausgewogenem Rat,während Finanzinvestoren schnellen, jederzeit verfügbaren Rat schätzen", erklärt er den Wandel. Er genießt mittlerweile viel Vertrauen bei großen Unternehmerfamilien, und das macht für ihn den entscheidenden Unterschied. "Vertrauen ist im M&A-Markt das wichtigste Pfund", sagt Ziegenhain.
Das führte ihn zu einem der spektakulärsten deutschen Nachfolgefälle: Er beriet die Witwe des Unternehmers Heinz Hermann Thiele, Nadia Thiele, nach einem langen Erbschaftsstreit bei der Übertragung der Mehrheitsanteile an Knorr-Bremse und Vossloh an die Heinz Hermann-Thiele-Familienstiftung. Die Stiftung kontrolliert seither 58,99 Prozent an Knorr-Bremse und 50,09 Prozent an Vossloh - ein Vermächtnis im Wert von Milliarden, das Ziegenhain professionell und diskret abwickelte.
"Dealmaker, nicht Dealbreaker"
Hans-Jörg Ziegenhain ist nicht der laute Typ. Er braucht keine Bühne, um Wirksamkeit zu entfalten. Das ist es auch, was Marktteilnehmer bei Ziegenhain wahrnehmen. So auch Florian Dendl, seit 2023 Counsel bei Willkie Farr & Gallagher. Er war Zögling von Ziegenhain und schwärmt von seinem ehemaligen Chef: "Er ist der rundeste M&A-Anwalt, den ich je getroffen habe. Viele Kollegen sind sehr gut, haben aber häufig eher Inselbegabungen. Es ist ganz selten, dass jemand in allen Aspekten gut ist."
Sowohl juristisch, bei kommerziellen Themen, die nicht zur juristischen Ausbildung gehören, als auch im Umgang mit Mandanten sei er "extrem gut". "Er findet immer den richtigen Ton. Er ist ein ‚People's Guy'", sagt Dendl.
Der Willkie-Anwalt hat sich von Ziegenhain abgeschaut, dass man mit Harmonie im M&A-Geschäft viel eher ans Ziel kommt als mit der Atombombe: "Er muss nicht zeigen, was für ein schneidiger Hund er ist." Ziegenhain selbst sagt über sein Erfolgsrezept: "Ich bin ein Dealmaker, kein Dealbreaker." Die sogenannte Pendeldiplomatie sei ihm in die Wiege gelegt.
Der DB-Schenker-Deal: Krönung einer Ausnahmekarriere
Auf natürliche Weise ist der Höhepunkt seiner Karriere nun erreicht - sagt er selbst. Dass sich die Deutsche Bahn beim Verkauf von DB Schenker an DSV bei ihrem bisher größten Deal für Ziegenhain entschied - obwohl sie bei anderen Angelegenheiten auch Kanzleien wie Freshfields oder Gleiss Lutz mandatierte -, spricht für ihn.
Alexander Wismeth, Head of Legal bei der Deutschen Bahn, der in dieser Zeit eng mit Ziegenhain zusammenarbeitete, würdigt dessen Leistung: "Dem Markt wird ein Schwergewicht verloren gehen. Unbestritten verfügt er über herausragende Erfahrung und Expertise. Aber wie nur Wenigen gelingt es ihm durch seine einnehmende - bayerisch geprägte - Art, einen persönlichen Draht zur Mandanten- und Gegenseite herzustellen. Das macht nicht nur die Zusammenarbeit angenehm. Es hilft auch, dort Lösungen im Sinne des Mandanten zu finden, wo Transaktionen in Sackgassen zu geraten drohen."
Eine besondere Gabe hebt er abschließend noch hervor: Wenn ein Deadlock droht, löst Ziegenhain die Probleme mit seiner Gravitas hinter den Kulissen - "nahezu unsichtbar für den Mandanten", wie Wismeth betont.
Vom Anwalt zum Family-Office-Prinzipal
Obwohl er erst mit 65 die Altersgrenze bei Hengeler Mueller erreichen würde, legt Ziegenhain Ende des Jahres seine Mandatsarbeit nieder - doch von Ruhestand ist keine Rede. Er wird unter anderem als Beirat in einem Family Office tätig sein, "idealerweise in Summe nur 20 Prozent der Zeit, die ich bei Hengeler Mueller gearbeitet habe". Der sportbegeisterte Dealmaker will sich verstärkt seinen Leidenschaften widmen: Ski- und Bergtouren, Mountainbike und Rennrad sowie seiner Liebe zu Oper und Musik. Wohlverdient, wenn er sich über Jahrzehnte hinweg nach den Bedürfnissen seiner Mandanten orientiert hat.
Erstveröffentlichung am 13.08.2025, FINANCE Magazin (finance-magazin.de)
© F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH, Frankfurt. Alle Rechte vorbehalten. www.finance-magazin.de