Der 26. März 2021 war ein arbeitsreicher Tag für die Kommission. Die Kommission veröffentlichte nicht nur die Ergebnisse ihrer jüngsten Bewertung des EU-Fusionskontrollsystems und leitete die Phase der Folgenabschätzung zur Vereinfachung des Fusionskontrollverfahrens ein. Sie veröffentlichte auch die lang erwarteten Leitlinien für die vorgeschlagene Änderung des Verweisungsverfahrens nach Artikel 22 der EU-Fusionskontrollverordnung (die "Artikel 22-Leitlinien"). Artikel 22 ermöglicht es den Mitgliedstaaten, bestimmte Transaktionen an Brüssel zu verweisen. Die Kommission hofft, diese Bestimmung als neues Instrument nutzen zu können, um "Killerakquisitionen" aufzuspüren, die sich andernfalls der Fusionskontrolle in der EU entziehen könnten.
Während die vorgeschlagene Änderung der Verfahrensweise viele Fragen für die Entscheidungsträger und die sie beratenden Kartellrechtsexperten aufwirft, bietet der Leitfaden zu Artikel 22 nur begrenzte Antworten. Gleichzeitig hat die Kommission bereits ihren ersten Testfall für die neue Politik gefunden: Presseberichten zufolge hat die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Übernahme von Grail durch Illumina Inc. in der Gesundheitsbranche an Brüssel zu verweisen, obwohl kein Mitgliedstaat für die Prüfung des Falls zuständig war. Die französische Autorité de la concurrence ist dieser Aufforderung offenbar nachgekommen, und es bleibt nun abzuwarten, ob und wie der Fall auf europäischer Ebene weiter behandelt wird.