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BMJ legt Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts vor | Hengeler Mueller News
Dispute Resolution

BMJ legt Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts vor

Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) hat am 18. April 2023 ein Eckpunktepapier mit Erwägungen zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts (Eckpunktepapier) veröffentlicht. Insbesondere für international agierende Unternehmen sieht das Reformvorhaben eine Reihe von Erleichterungen vor, die sich insgesamt positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Justizstandort auswirken können.

Zuletzt wurde das deutsche Schiedsverfahrensrecht vor 25 Jahren umfassend neu geregelt. Das Eckpunktepapier bezweckt eine Modernisierung der gesetzlichen Regelungen (§§ 1025 ff. ZPO). Damit sollen Entwicklungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und die voranschreitende Digitalisierung aufgegriffen und das deutsche Schiedsverfahrensrecht leistungsfähiger gemacht werden.

So soll gesetzlich klargestellt werden, dass Verhandlungen über Videokonferenzen gehalten werden können (Punkt 4 des Eckpunktepapiers). Zudem wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich international tätige Unternehmen häufig auf Englisch als Verfahrenssprache einigen. Deshalb soll künftig in Aufhebungsverfahren sowie bei Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruchs die Vorlage englischsprachiger Dokumente aus dem Schiedsverfahren zugelassen werden (Punkt 6 des Eckpunktepapiers). Für Verfahren über die Aufhebung oder Vollstreckbarkeitserklärung von Schiedssprüchen sollen die Commercial Courts (soweit diese von den Bundesländern eingeführt sind) zuständig sein, auch um den Parteien ein Verfahren vollständig auf Englisch zu ermöglichen (Punkt 7 des Eckpunktepapiers). Es ist insoweit erfreulich, dass das BMJ die Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts mit dem Bestreben zur Einführung von Commercial Courts (unseren Beitrag hierzu finden Sie hier) verzahnt.

Der Vorschlag, nach dem Schiedsvereinbarungen künftig formfrei abgeschlossen werden können (Punkt 1 des Eckpunktepapiers) ist dagegen kritisch zu sehen. Ein formfreier Abschluss von Schiedsvereinbarungen führt zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. Besteht zwischen den Parteien Streit über das (Nicht-)Bestehen einer Schiedsabrede, bleibt diese Fragestellung bis in das Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren hinein relevant. Auch sieht Art. II (1) New York Convention vor, dass nur schriftliche Schiedsklauseln in den Vertragsstaaten anerkannt werden. Auf das Schriftlichkeitserfordernis für Schiedsklauseln sollte das deutsche Schiedsverfahrensrecht daher nicht verzichten.

Das Eckpunktepapier enthält daneben eine Reihe prozessualer Reformgegenstände, welche die Integrität des deutschen Schiedsverfahrensrechts stärken. Hervorzuheben ist insofern die vorgesehene Einführung eines Rechtsbehelfs vergleichbar einer Restitutionsklage, der gegen bereits bestandskräftige inländische Schiedssprüche statthaft sein soll (Punkt 8 des Eckpunktepapiers). Damit könnten Schiedssprüche, die unter erheblichen Mängeln leiden, auch noch nach Ablauf der dreimonatigen Frist zur Einleitung eines Aufhebungsverfahrens angegriffen werden.

Das Eckpunktepapier adressiert zudem weitere Reformgegenstände, die ergebnisoffen geprüft werden sollen. Dazu gehört unter anderem die Frage nach der Zulässigkeit von Sondervoten einzelner Schiedsrichter (dissenting opinions). Hier besteht derzeit ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, die durch ein obiter dictum des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16. Januar 2020, Az. 26 Sch 14/18) noch weiter verstärkt wurde. Praktisch ist seitdem mit einem Sondervotum in Deutschland das Risiko der Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs verbunden. Dagegen scheint das BMJ von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Sondervoten auszugehen. Eine gesetzliche Klarstellung ist daher begrüßenswert.

Insgesamt präsentiert das BMJ mit dem Eckpunktepapier einige vielversprechende Reformgegenstände und zeigt das Potenzial, das deutsche Schiedsverfahrensrecht zukunftsfähig zu machen. Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung der Reformbestrebungen gelingt.

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