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Neue Impulse für die Medienkonzentrationskontrolle | Hengeler Mueller News
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Neue Impulse für die Medienkonzentrationskontrolle

In Deutschland sind erste Schritte zur Umsetzung des Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFG) angestoßen worden. Diese könnten die Rahmenbedingungen für Transaktionen im Medienbereich grundlegend verändern.

Die medienrechtliche Konzentrationskontrolle nach dem Medienstaatsvertrag (MStV) tritt bei bestimmten Transaktionen im Medienbereich neben die kartellrechtliche Fusionskontrolle. Sie soll vorherrschende Meinungsmacht verhindern. Durch ihren Fokus auf klassisches (private) Fernsehen (sog. Zuschaueranteilsmodell) ist ihr Anwendungsbereich allerdings überschaubar. Ein Blick auf andere Medienmärkte kommt erst ab einem Zuschauermarktanteil im Fernsehen in Betracht, den (derzeit) keine der hierzulande aktiven Sendergruppen erreichen (jedenfalls bei Berücksichtigung der im MStV vorgesehenen Abzüge für meinungsvielfaltsfördernde Programmelemente).

Die Überwindung der Fernsehzentrierung war wiederholter Ausgangspunkt für Reformüberlegungen. Das im letzten Jahr in Kraft getretene EMFG könnte diesen Überlegungen zum Durchbruch verhelfen. Es gibt den Mitgliedstaaten auf, Vorschriften für die Bewertung bestimmter Zusammenschlüsse "auf dem Medienmarkt" festzulegen (Art. 22). Das betrifft nicht länger nur privaten Fernsehrundfunk, sondern alle "Mediendienste" (Art. 2 Nr. 1), einschließlich nicht-linearer Angebote, öffentlich-rechtlicher Angebote (Art. 2 Nr. 2) und Presseveröffentlichungen, sowie Online-Plattformen i.S.d. Gesetzes über digitale Dienste (Art. 2 Nr. 9). Diese Vorgabe des EMFG gegenüber den Mitgliedstaaten gilt ab dem 8. August 2025 (Art. 29).

Die Umsetzungsbemühungen in Deutschland nehmen indes nur langsam Fahrt auf. Das dürfte u.a. daran liegen, dass sie schwierige Abgrenzungsfragen der Bund-/Länderkompetenzen bei der Gesetzgebung für audiovisuelle Medien aufwerfen. Der Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holstein hat nun kürzlich in einer Plenardebatte im schleswig-holsteinischen Landtag erwähnt, dass ein an das Kartellrecht angelehntes Modell "sektorenspezifischer Kontrolle" entwickelt worden sei. Dieses betrachte "alle meinungsrelevanten Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette" und identifiziere "Mediensektoren mit Einfluss auf die Meinungsbildung", um festzustellen, "ob auf den Märkten ein Unternehmen oder das Zusammenwirken von verschiedenen Unternehmen den Wettbewerb um die freie Meinungsbildung unzulässig beeinträchtigen". Bei einer Gefährdung würden "verschiedene Maßnahmen ergriffen".

Obgleich die Einzelheiten des Modells abzuwarten sind, ist bereits absehbar, dass die EMFG-Vorgaben und deren Umsetzung großen Einfluss auf Transaktionen im Medienbereich haben werden. In formeller Hinsicht könnte sich zunächst das Erfordernis, Beteiligungsveränderungen (auch) medienkonzentrationsrechtlich anzumelden, deutlich ausweiten. Schon jetzt gilt die Anmeldepflicht für alle unmittelbar oder mittelbar an einem Rundfunkveranstalter Beteiligten (§ 63 MStV). Künftig könnte sie für alle Beteiligten an einem Mediendienst oder einer Online-Plattform gelten. Allerdings beschränkt sich die EMFG-Vorgabe ausdrücklich auf "Zusammenschlüsse", also nicht jede Beteiligungsveränderung. Auch das sich anschließende behördliche Verfahren dürfte komplexer und langwieriger werden: Bislang prüft die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), ein Gemeinschaftsorgan aller Landesmedienanstalten, die Auswirkungen einer angemeldeten Beteiligungsveränderung auf die (deutsche) Meinungsvielfalt. Künftig ist dem Europäischen Gremium für Mediendienste ein Mitspracherecht zu gewähren (Art. 22 Abs. 4 EMFA).

In materieller Hinsicht wird entscheidend sein, ob und wie der deutsche Gesetzgeber und die anderen Mitgliedstaaten die Bewertungskriterien für Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt (Art. 22 Abs. 2 EMFA) umsetzen werden und ob sie darauf bezogene quantitative Aufgreif- und/oder Vermutungsschwellen definieren. Letzteres ist angesichts der crossmedialen Betrachtung kein einfaches Unterfangen. Das hat das Verfahren anlässlich der Übernahme von ProsiebenSat.1 durch Axel Springer schon vor zwanzig Jahren gezeigt. Damals hatte die KEK die Auflage von Pressepublikationen in Zuschauermarktanteile "umgerechnet". Quantitative Schwellen dürfte indes für ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zwingend erforderlich sein. Da das EMFG hierzu keine Vorgaben macht (ggf. aber noch ausstehende Leitlinien der Kommission), ist nämlich damit zu rechnen, dass es zu unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten kommt. Gleiches gilt für die sich daran anknüpfenden Rechtsfolgen. Das würde das Harmonisierungsziel des EMFG konterkarieren und die Komplexität bei grenzüberschreitenden Transaktionen künftig weiter erhöhen.

Auch wenn die rheinland-pfälzische Staatskanzlei vorletzte Woche mitgeteilt hat, man befinde sich (in Deutschland) "erst am Anfang des Evaluierungsprozesses" eines "Digitale-Medien-Staatsvertrags", sollten die Entwicklungen aufgrund ihrer Trageweite aufmerksam verfolgt und schon jetzt bei potenziell betroffenen Transaktionen mitbedacht werden.

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