This website requires Javascript for some parts to function propertly. Your experience may vary.

Regierungsvorschlag zu englischsprachigen Spezialkammern und Commercial Courts – wird Deutschland als Standort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten gestärkt? | Hengeler Mueller News
Dispute Resolution

Regierungsvorschlag zu englischsprachigen Spezialkammern und Commercial Courts – wird Deutschland als Standort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten gestärkt?

Regierungsvorschlag zu englischsprachigen Spezialkammern und Commercial Courts – wird Deutschland als Standort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten gestärkt?

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat ein Eckpunktepapier zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Justiz bei internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten vorgelegt. Ob das gelingen kann, bleibt abzuwarten.

Zahlreiche Staaten wie etwa die Niederlande, Belgien, Frankreich, Singapur oder Dubai haben Handelsgerichte mit internationaler Ausrichtung ins Leben gerufen, um grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten anzuziehen. Jetzt will auch die Bundesregierung nachziehen und die Attraktivität des Justizstandorts Deutschland für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten steigern. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart soll ein an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiertes, schnelles und effizientes Gerichtsverfahren eingeführt werden. Auf diesem Wege will die Bundesregierung auch Boden gegenüber der für (internationale) Wirtschaftsstreitigkeiten oft bevorzugten privaten Schiedsgerichtsbarkeit gut machen. Das nun vorgestellte Papier des BMJ sieht die folgenden Eckpunkte vor:

  • Bestimmte Handelsstreitigkeiten sollen vor den Landgerichten in englischer Sprache geführt werden können, wenn die Parteien sich einig sind und ein sachlicher Grund vorliegt. Das gesamte Verfahren, einschließlich Schriftsätze, Verhandlung und Urteil, würde in englischer Sprache geführt. Dasselbe würde für etwaige Rechtsbehelfe zum Oberlandesgericht (OLG) gelten. Die Länder sollen englischsprachige Kammern bei den Landgerichten bilden und Rechtsbehelfe auf Spezialsenate bei den Oberlandesgerichten (sogenannte "Commercial Courts") konzentrieren können.

  • Bei Streitwerten über einer Million Euro soll es den Parteien freistehen, die Ebene der Landgerichte zu überspringen und die Klage direkt bei den Commercial Courts zu erheben. Die Commercial Courts sollen mit spezialisierten Richtern mit sehr guten Sprachkompetenzen besetzt werden. Die mündliche Verhandlung soll, wie im Schiedsverfahren üblich, im Wortlaut protokolliert werden.

  • Gegen die Entscheidung der Commercial Courts soll die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zulässig sein. Auch die Verfahren vor dem BGH sollen, im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat, auf Englisch geführt wurden können.

  • Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen soll ausgeweitet werden. Bislang kann nur ausnahmsweise die Öffentlichkeit der Verhandlung beschränkt werden. Weitere Beschränkungen der Verwendung von während eines Zivilverfahrens erlangten Informationen bestehen nicht. Akteneinsicht für Dritte ist möglich. Zukünftig sollen Geschäftsgeheimnisse, die im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung offengelegt werden, durch ein Verbot der Verbreitung außerhalb des Verfahrens besonders geschützt werden.

  • Der Einsatz von Videokonferenztechnik soll in Verfahren vor den Commercial Courts gestärkt werden, indem Verhandlungen virtuell stattfinden können, wenn die Parteien zustimmen.

Das Eckpunktepapier ist ein richtiger erster Schritt: Die Prozessführung in englischer Sprache erleichtert ausländischen Unternehmen, den Fortgang ihres Prozesses unmittelbar nachzuvollziehen. Das Auslassen der Eingangsinstanz würde die auch im Ausland wahrgenommene lange Verfahrensdauer von Wirtschaftsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten reduzieren. Glückt die Reform, würde das Deutschland im Wettbewerb um attraktive Justizstandorte (der längst entbrannt ist) nach vorne bringen. Eine vollständige Gleichwertigkeit des deutschen Zivilprozesses mit Wirtschaftsschiedsverfahren lässt sich durch die Reform allerdings nicht erreichen. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist aufgrund der weiterhin grundsätzlich öffentlichen Verhandlung nicht im gleichen Maß wie bei Schiedsgerichten gewährleistet. Zudem besteht der Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit nicht zuletzt in einer erheblichen Flexibilität des Verfahrens. Durch das Case Management können die Parteien und das Gericht Vereinbarungen über die Organisation und den Ablauf des Verfahrens und auch die maßgeblichen Beweisregeln treffen. Diese Flexibilität kann ein Commercial Court, der weiterhin an die Regeln der Zivilprozessordnung gebunden ist, nicht bieten.

Eine wichtige Frage bleibt im Eckpunktepapier zudem unbeantwortet: Wie sollen sich hinreichend viele Richter finden, die willens und in der Lage sind, komplexe Wirtschaftsverfahren in englischer Sprache zu führen? Dafür benötigt es mehr als nur allgemein gute Fremdsprachenkenntnisse. Ohne umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen dürften sich die angedachten englischsprachigen Kammern und Senate in der erforderlichen Breite kaum besetzen lassen. Es ist zu hoffen, dass das BMJ auch für dieses praktische Problem Lösungen entwickelt.

Neueste Artikel

Brussels à Jour: Exploring the First 100 Days of the Notification Obligation under the Foreign Subsidies Regulation

Brussels à Jour: Be My Fee-lentine

Wichtige Schritte zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts in Deutschland

Neueste Mandatsmeldungen aus dem Bereich Dispute Resolution