Der Blick auf die Ergebnisse zeigt ein insgesamt ambivalentes Bild. In vielen Aufsichtsräten hat die Unternehmensstrategie einen hohen Stellenwert und hat ihren Platz auf der Agenda. Gleichzeitig ist dies aber keineswegs selbstverständlich:
Mehr als jeder zehnte Aufsichtsrat hält sein Gremium für nicht strategiefähig und den Strategie-Dialog für wenig relevant – insbesondere bei nicht-börsennotierten Unternehmen
Auch wenn das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten beim überwiegenden Teil der befragten deutschen Aufsichtsräte vorhanden ist: nicht alle Unternehmen sehen sich gut aufgestellt. Zudem halten nur 83 Prozent den Strategie-Dialog mit dem Vorstrand für wichtig. 94 % der Aufsichtsräte haben gleichwohl das Thema mindestens einmal jährlich auf der Agenda. Gerade aber auch der ständige Austausch gehört zu einer aktiven Aufsichtsratsarbeit, die hier noch ausbaufähig scheint. Eine Überwachung kann sinnvollerweise nicht ohne gemeinsame kontinuierliche Strategie-Diskussion stattfinden - sie gehört zu den Kernaufgaben des Gremiums.
Strategiefähigkeit des Aufsichtsrats insbesondere in Bezug auf "Langfristige Risiken" gefordert
97 Prozent sehen die Notwendigkeit, sich zu "Langfristigen Risiken" bestmöglich aufzustellen. Auch "Geopolitische Implikationen" gehört mit 88 Prozent zu den Risikothemen, die auf der Agenda der Aufsichtsräte stehen. Dass mehr Aufsichtsräte diese Themen als relevant erachten als den Strategie-Dialog als solches muss kein Widerspruch sein. Dies könnte damit zu erklären sein, dass die übergeordnete multithematische Strategie-Diskussion zwar für weniger relevant erachtet wird (83 Prozent), aber die Bedeutung einzelner Themen mit strategischer Dimension durchaus in der Breite gesehen wird.
Bei 42 Prozent der Aufsichtsräte steht die Strategie nur einmal jährlich auf der Agenda
Lässt der gefüllte Aufsichtsrats-Kalender ausreichend Zeit für die übergreifende Strategie-Diskussion? Bei der Mehrheit (52 Prozent) ist die Strategie mehrfach jährlich ein eigener Tagesordnungspunkt auf der Aufsichtsratsagenda, bei 42 Prozent nur einmal jährlich. Wie oben beschrieben werden einzelne Elemente wahrscheinlich häufiger losgelöst als konkret im Raum stehendes Thema diskutiert und dann nicht so sehr als Teil der übergeordneten Strategiediskussion wahrgenommen.
Bei einer kleinen Gruppe von Aufsichtsräten (4 Prozent) steht die Strategie aber nur alle paar Jahre auf der Agenda. Es ist fraglich, wie eine sinnvolle Überwachung und Begleitung der Vorstandsarbeit innerhalb solcher Intervalle möglich sein sollen. Denkbar ist dies nur in Unternehmen, die von makroökonomischer Dynamik und Disruption verschont geblieben sind – doch wo wären diese heute zu finden?
"Geeignete Zusammensetzung des Aufsichtsrats" ist die wichtigste Voraussetzung für eine aktive Strategiebegleitung durch den Aufsichtsrat
Die extrem hohe Bewertung des Faktors "Geeignete Zusammensetzung des Aufsichtsrats" (99 Prozent) zeigt die Bedeutung von Soft Factors für das Gremium und gleichzeitig die Relevanz von Nachfolgefragen. Auch auf Platz zwei folgt ebenfalls ein Soft Factor mit "Schaffung einer Vertrauenskultur". Es steht und fällt mit den Akteuren. Werden Soft Factors im Aufsichtsrat in Zuge einer Effizienz-Prüfung ausreichend ermittelt? Gerade im Krisenkontext kommen diesen Faktoren eine enorme Bedeutung zu und sind mit auschlaggebend, ob der Aufsichtsrat "Krise kann".