Constantin Lauterwein ist Partner in der Berliner Wirtschaftsstrafrechtspraxis von Hengeler Mueller. Die Leidenschaft für das Strafrecht begleitet ihn schon seit Studientagen.
Was macht ein Strafrechtler in einer Wirtschaftskanzlei?
Wir beraten Unternehmen, die mit strafrechtlichen Fragen konfrontiert sind. Das kann ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter oder Organe sein, von dem das Unternehmen z.B. durch eine Durchsuchung erfährt. In anderen Fällen melden sich Whistleblower oder Shortseller zu Wort oder Medien berichten über strafrechtliche Vorwürfe. Wir kommen aber auch ins Spiel bei einem Verdacht gegen Wettbewerber, wenn sich unsere Mandanten geschädigt sehen. Wir vertreten Unternehmen gegenüber Staatsanwaltschaften, Bußgeldbehörden und vor Gericht, helfen bei der internen Sachverhaltsaufklärung und beraten im Umgang mit strafrechtlichen Risiken bei unternehmerischen Entscheidungen. Für die meisten Unternehmen ist die Beschäftigung mit strafrechtlichen Themen alles andere als alltäglich. Zudem sind die Situationen, in denen wir unterstützen, meist sehr kritisch und oft existenzgefährdend. Da steht viel auf dem Spiel – natürlich auch für die Personen, mit denen wir bei der Beratung des Unternehmens zu tun haben.
Wir vertreten auch einzelne Personen. In der Regel mandatieren uns aber Unternehmen. Anders als bei der Verteidigung von Beschuldigten steht die strafrechtliche Rolle des betroffenen Unternehmens und damit die Interessenlage zu Beginn eines Mandats in vielen Fällen noch nicht fest. Ist das Unternehmen geschädigt? Wird ihm ein Vorwurf gemacht? Droht ein Bußgeld oder die Einziehung? Darf das laufende Geschäft weiter betrieben werden wie bisher? Meistens geht es dabei auch nicht nur um ein Strafverfahren. Daneben interessieren sich häufig auch Aufsichtsbehörden, Abschlussprüfer, Kreditgeber, Wettbewerber, Verbände, der Kapitalmarkt, Versicherer, Finanzbehörden oder auch Untersuchungsausschüsse für die Vorgänge – in Deutschland und im Ausland. In solchen komplexen Situationen ist es besonders wichtig, strategisch vorzugehen und vorauszuschauen, um das Unternehmen so gut wie möglich durch die Krisensituation zu lotsen.
Wie sieht der berufliche Alltag als Wirtschaftsstrafrechtler aus? Was macht den Reiz aus?
Es wird nie langweilig und die Tage entwickeln sich oft anders als geplant. Häufig handelt es sich um Extremsituationen, in denen die eingespielten Prozesse in einem Unternehmen nicht funktionieren. Dann gehören auch das Projektmanagement und die Begleitung der beteiligten Menschen zu unseren Aufgaben. Anders als bei der Verteidigung einer einzelnen Person muss man als Unternehmensanwalt im Strafrecht auch die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Unternehmens berücksichtigen: Aufsichtsrat, Vorstand, Rechts- und Compliance-Abteilungen, Datenschutzbeauftragte und Revision – alle haben ihre Rolle und dahinter stehen Menschen, die wiederum eigene Interessen und Hintergründe haben.
Auch die juristischen Themen sind breit gefächert: Das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht sind meistens nur der Aufhänger der Beratung. Um ein Unternehmen durch die Aufarbeitung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts zu steuern, spielen viele andere Rechtsgebiete eine Rolle: Gesellschaftsrecht, Aufsichtsrecht, Steuerrecht, Insolvenzrecht, Datenschutzrecht und viele mehr. All diese Themen muss man als guter Unternehmensanwalt im Wirtschaftsstrafrecht im Blick haben. Natürlich ziehen wir dann auch Spezialisten für jedes dieser Gebiete hinzu – oft übrigens auch aus anderen Ländern, wenn es um internationale Sachverhalte geht. Aber die Relevanz bestimmter Themen und vor allem die Wechselwirkungen muss man selbst erkennen, um das Unternehmen beraten zu können.
War das Wirtschaftsstrafrecht schon immer ein Faible oder hat sich der Berufswunsch erst im Laufe der Jahre herauskristallisiert?
Ich fand Jura in den ersten beiden Semestern, in denen wir nur Zivilrecht und öffentliches Recht hatten, nicht besonders interessant. Erst durch das Strafrecht konnte ich mich für Jura insgesamt begeistern. Das lag einerseits an einem großartigen Strafrechtslehrer und andererseits an der liberalen Strafrechtsdogmatik in Deutschland: Strafe als schärfste staatliche Maßnahme ist nur gerechtfertigt, wenn sie schwere Verletzungen wichtiger Rechtsgüter verhindern soll. Das fand ich schon immer spannend. Das Wirtschaftsstrafrecht, oder besser gesagt, die wirtschaftsstrafrechtliche Beratung und Vertretung von Unternehmen, war dann für mich die perfekte Verbindung aus strafrechtlicher Dogmatik und unternehmerischer Wirklichkeit.
Welche Empfehlung kann man Young Talents geben, die ebenfalls eine Karriere im Wirtschaftsstrafrecht anstreben? Wie sollten sie sich darauf vorbereiten?
Sie sollten sich so viel wie möglich ansehen. Die Tätigkeit als klassischer Strafverteidiger im Wirtschaftsstrafrecht unterscheidet sich erheblich von meinem Beruf. Man sollte beides gesehen haben, um sich entscheiden zu können. Außerdem kann ich nur empfehlen, sich juristisch so breit wie möglich aufzustellen: Um ein guter Zivil- oder Verwaltungsrechtler zu sein, muss man kein Strafrecht können. Aber um ein guter Strafrechtler zu sein, muss man auch im Zivilrecht und im öffentlichen Recht fit sein. Das gilt erst Recht für das Wirtschaftsstrafrecht.
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