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Richtlinienvorschlag zu Greenwashing – verschärftes public und private enforcement gegen unbelegte Werbeaussagen | Hengeler Mueller News
Dispute Resolution

Richtlinienvorschlag zu Greenwashing – verschärftes public und private enforcement gegen unbelegte Werbeaussagen

Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag zu irreführenden umweltbezogenen Werbeaussagen ("Greenwashing") veröffentlicht. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, wird er erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben. Neben materiellen Anforderungen an umweltbezogene Werbeaussagen sieht der Richtlinienentwurf erhebliche öffentlich-rechtliche Sanktionen und die Integration von Greenwashing in den Anwendungsbereich der europäischen Verbandsklage vor.

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission

Der Vorschlag der EU-Kommission vom 22. März 2023 richtet sich gegen vage, irreführende oder nicht fundierte Umweltaussagen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahre 2020 zufolge wurden 53,3 % der untersuchten Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert beurteilt; 40 % waren nicht belegt. Nach Ansicht der EU-Kommission sorgt dieses Greenwashing für mangelndes Vertrauen der Verbraucher in Umweltaussagen von Unternehmen und behindert die Umsetzung des sog. European Green Deal.

Kern des Richtlinienvorschlags sind erhöhte Anforderungen an umweltbezogene Aussagen von Unternehmen. Die EU-Kommission schlägt einheitliche Standards zu Informationspflichten sowie zur Nachweisbarkeit umweltbezogener Aussagen vor. Zukünftig müssen Unternehmen derartige Aussagen im Vorhinein überprüfen. Der Richtlinienvorschlag fordert dafür die Einhaltung anerkannter wissenschaftlicher Prüfverfahren sowie die Vorabüberprüfung durch eine unabhängige Stelle. Diese Vorgaben werden durch Regelungen zur Eindämmung des vermeintlich unkontrollierten Gebrauchs öffentlicher und privater Umweltzeichen flankiert.

Erhebliche Auswirkungen für Unternehmen

Die Auswirkungen des Richtlinienvorschlags dürften erheblich sein.

Wie Unternehmen sich zukünftig rechtskonform verhalten können, bleibt offen. Die anzuwendenden wissenschaftlichen Prüfverfahren werden in der Richtlinie nur pauschal genannt, jedoch nicht näher vorgegeben. Es droht eine divergierende Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und eine uneinheitliche Anwendung durch die einzurichtenden Prüfstellen. Die wissenschaftliche Überprüfung jeder einzelnen umweltbezogenen Aussage wird jedenfalls einen erheblichen Mehraufwand bedeuten.

Bei Verstößen gegen die Vorgaben an Umweltaussagen eröffnet der Richtlinienvorschlag scharfe Sanktionsmöglichkeiten. Neben einer Gewinnabschöpfung sowie einem zeitweisen Ausschluss aus öffentlichen Ausschreibungen und Förderungen sind Bußgelder möglich. Der zulässige Höchstbetrag eines Bußgelds beläuft sich nach dem Richtlinienvorschlag auf mindestens 4 % des Jahresumsatzes in den betroffenen Mitgliedstaaten.

Verbandsklage gewinnt an Bedeutung

Neben behördlichen Sanktionsmöglichkeiten sieht der Richtlinienvorschlag aber auch die Durchsetzung der Richtlinienvorgaben mittels zivilrechtlicher Geltendmachung individueller Ansprüche von Verbrauchern vor. Dazu wird der Anwendungsbereich der europäischen Verbandsklage auf Fälle von Greenwashing erstreckt.

Qualifizierte Einrichtungen, also im Wesentlichen Verbraucherschutzorganisationen, sollen bei Fällen von Greenwashing zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche von Verbrauchern im Wege der Verbandsklage geltend machen können. Der Umsetzungsvorschlag des Bundesministeriums der Justiz zur Verbandsklage ermöglicht das bereits. Der Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie durch das "Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz" (VDuG-E) nach § 1 Abs. 1 VDuG-E lässt die Erhebung einer Verbandsklage für sämtliche Ansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmen zu (siehe zum Referentenentwurf 2023_02_Verbandsklage_de.pdf (hengeler.com). Durch die vorgeschlagenen Prüf-, Nachweis- und Informationspflichten dürfte es Verbraucherverbänden künftig leichter fallen, einen haftungsbegründenden Verstoß gegen Lauterkeitsrecht zu prüfen und nachzuweisen.

Bei Greenwashing-Vorwürfen drohen Unternehmen mithin zukünftig europaweit Verbandsklagen. Bei deliktischen Ansprüchen besteht eine Gerichtszuständigkeit nicht nur am Unternehmenssitz, sondern auch am Ort des schädigenden Ereignisses (siehe 2023_02_Verbandsklage_de.pdf (hengeler.com). Im Fall von Greenwashing dürfte prinzipiell in jedem Mitgliedstaat ein Gerichtsstand eröffnet sein, in dem ein Unternehmen mit einer beanstandeten Aussage auftritt.

Der Richtlinienvorschlag zum Greenwashing birgt damit erhebliche Risiken für Unternehmen. Unklare und hohe Standards für umweltbezogene Werbeaussagen setzen Unternehmen nicht nur staatlichen Sanktionen aus. Vielmehr ist auch zu befürchten, dass Verbraucherschutzorganisationen Unternehmen verstärkt ins Visier nehmen werden.



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