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Ressortabstimmung zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie | Hengeler Mueller News
Dispute Resolution

Ressortabstimmung zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie

Das Bundesministerium der Justiz hat seinen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie in die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung gegeben. Das neue Gesetz führt erstmalig eine Verbandsklage auf Leistung wie etwa Schadensersatz in das deutsche Rechtsschutzsystem ein. Es soll die Durchsetzung von Verbraucherrechten stärken. Die Gesetzesnovelle beschleunigt damit den bestehenden Trend des gebündelten Vorgehens von Verbrauchern gegen Unternehmen. Bereits jetzt ist absehbar, dass Risiken für und der Vergleichsdruck auf Unternehmen weiter erhöht werden.

Das deutsche Kollektivrechtsschutzsystem war bislang nur rudimentär ausgeprägt: Die im deutschen Recht vorgesehenen Musterfeststellungsverfahren, die es Gerichten erlauben, allgemeingültige rechtliche Feststellungen zu treffen, haben sich als nicht besonders effizient im Umgang mit Streu- und Masseverfahren erwiesen. Eine beachtliche Hürde für Verbraucher war bislang das Erfordernis, ihren individuellen Schaden selbst einzuklagen.

Weiter Anwendungsbereich der Verbandsklage

Dies soll sich durch die Gesetzesnovelle ändern. Der EU-Richtlinie von 2020 folgend setzt die Gesetzesnovelle den auf europäischer Ebene geschaffenen Schutz von Verbraucherkollektivinteressen um. Bestimmte Verbände können nunmehr erstmals direkt Abhilfe (z.B. Schadensersatz) für betroffene Verbraucher einklagen. Ersten Informationen über den derzeit in der Ressortabstimmung befindlichen Referentenentwurf zufolge soll die Verbandsklage auch kleine Unternehmen (bis 50 Beschäftigte) offenstehen. Allerdings müssen sich Verbraucher bzw. klagende Unternehmen der Verbandklage aktiv anschließen (so genanntes opt-in). Wenn das befasste Gericht die Klage für begründet hält, erlässt es ein Abhilfegrundurteil. In einer anschließenden Vergleichsphase wird es den Parteien möglich sein, die Abwicklung des Vergleichs einvernehmlich zu regeln. Gelingt den Parteien keine gütliche Einigung, soll das Gericht einen Sachwalter bestellen. Dessen Aufgabe ist es, den Gesamtschadensbetrag, den das Gericht festgestellt hat, an die Verbraucher zu verteilen. Anders als zuvor bedarf es keiner Einzelklagen mehr, um Ansprüche von Verbrauchern durchzusetzen. Die Verbandsklagerichtlinie ermöglicht eine Finanzierung durch Dritte.

Verjährungshemmung und Offenlegung von Beweismitteln

Dem Vernehmen nach bestätigt der Referentenentwurf die verbraucherfreundlichen Regelungen zur Verjährungshemmung. Bereits die Erhebung einer Verbandsklage hemmt die Verjährung, sofern der anspruchsberechtigte Verbraucher sich bis spätestens zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Klage anmeldet. Verbraucherverbände können dabei eine solche Klage erheben, ohne dass Verbraucher sich dieser anschließen. Damit kommt der Vorteil der Verjährungshemmung einem unbestimmten Personenkreis zugute. Bis zu einer Klärung durch die Rechtsprechung, wer von der Hemmungswirkung tatsächlich begünstigt wird, müssen sich Unternehmen auf erhebliche Rechtsunsicherheiten einstellen.

Bisher war es Sache des Verbrauchers, die für ihn günstigen Tatsachen und Beweismittel zu beschaffen. In der Vergangenheit scheiterten daher Klagen auch an fehlenden Informationen, die dem Verbraucher nicht zur Verfügung standen. Um dieses Defizit zu beheben, sieht die Verbandsklagerichtlinie neue Regelungen zur Offenlegung von Beweismitteln vor. Zwar war auch bisher schon eine Anordnung der Vorlage von Beweismitteln durch das Gericht möglich,  erstmals wird die Nichtbefolgung einer Offenlegungsanordnung aber nunmehr wohl sanktionsbewehrt.

Ausblick

Der zu erwartende Gesetzgebungsvorschlag reiht sich in einen allgemeinen Trend ein: In den letzten Jahren ist das Risiko für Unternehmen, im Rahmen einer Sammelklage mit einer Vielzahl von Ansprüchen konfrontiert zu werden, erheblich gestiegen. Bislang geschieht dies zumeist durch Abtretungsmodelle, bei denen unter Beteiligung von professionellen Prozessfinanzierern Ansprüche gebündelt geltend gemacht werden. Die Verbandsklage hat das Potential, diesen Trend maßgeblich zu befeuern.

Das neue System zur Durchsetzung von Verbraucherrechten hat das Potential, ein scharfes Schwert zur Durchsetzung von Klägerinteressen zu werden. Die Hürden für Verbraucher, Ansprüche gegen Unternehmen geltend zu machen, sinken. Gleichzeitig steigt aber auch das Risiko, dass Unternehmen sich gegen unberechtigte Ansprüche mit großem Aufwand und Kostendruck verteidigen müssen.

Im Anschluss an die laufende Ressortabstimmung der Bundesregierung geht der Referentenentwurf in das parlamentarische Verfahren. Da Deutschland die Verbandsklagerichtlinie bis zum 25. Dezember 2022 umsetzen muss, ist mit einem zügigen Verfahren zu rechnen.

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