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Die GmbH mit gebundenem Vermögen - eine überflüssige neue Rechtsform | Hengeler Mueller News
Gesellschaftsrecht

Die GmbH mit gebundenem Vermögen - eine überflüssige neue Rechtsform

Es steht zu erwarten, dass die "GmbH mit gebundenem Vermögen" sich auf der rechtspolitischen Agenda der neuen Bundesregierung finden wird. Das Vorhaben geht auf eine private Initiative mit dem Namen "Stiftung Verantwortungseigentum" zurück. Im Kern geht es um eine neue Rechtsform für Unternehmen, die von "verantwortungsbewussten und unabhängigen" Unternehmern aus rein intrinsisch unternehmerischer Motivation langfristig geführt werden, aber nicht mehr dem Ausschüttungsinteresse des Eigentümers dienen sollen. Dahinter steckt die Idee eines treuhänderischen Eigentums, das allerdings – anders als in Familienunternehmen – nicht mehr von Generation zu Generation weitervererbt werden soll, sondern im Rahmen einer "Werte- und Fähigkeitenverwandschaft" gehalten wird. Die "tote Hand der Gründergeneration" soll durch die "lebendige Hand der Gesellschafter" ersetzt werden. Das zentrale Mittel der angedachten Gesellschaftsform ist die Bindung des Vermögens in der Gesellschaft – jegliche Form der Ausschüttung an die Gesellschafter ist untersagt. Die dauerhafte Vermögensbindung gilt ewig, sie kann weder aufgehoben noch eingeschränkt werden. Gesellschafter sollen nur intrinsisch motivierte Gesellschafter "mit Gesicht" sein. Um die Förderung gemeinnütziger Zwecke geht es bei alledem nicht zwingend: Die GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) verfolgt in der Regel einen erwerbswirtschaftlichen oder gemeinnützigen Zweck.

Zu alledem gibt es mittlerweile neben den medialen Initiativen einen ausformulierten Gesetzesentwurf. Der Vorschlag hat, gerade aus der Politik, viel Sympathie, von Experten aber eben auch dezidierte Kritik erfahren. Was ist davon zu halten? Die Initiatoren haben die Terminologie geschickt gewählt: Verantwortungsbewusstes und unabhängiges Unternehmertum, Nachhaltigkeit des Vermögenseinsatzes sowie treuhänderisches Eigentum zugunsten einer Werte- und Fähigkeitenverwandschaft sind ohne Frage positiv konnotierte Begriffe (selbst wenn der anfänglich gebrauchte Begriff des "Verantwortungseigentums" nach berechtigten Einwänden von den Initiatoren nicht mehr reklamiert wird). Dennoch ist die Kritik berechtigt. Dabei geht es weniger um die Rechtstechnik und gewisse Unzulänglichkeiten des vorgelegten Gesetzesentwurfs der GmbH-gebV, sondern um Grundsätzliches. Drei Punkte stechen hervor.

"Tote Hand der Gründergeneration soll durch lebendige Hand der Gesellschafter ersetzt werden"

An erster Stelle stehen ordnungspolitische Bedenken. Die GmbH-gebV führt, jedenfalls in der Theorie, zu einer Anhäufung von immer mehr Gewinn und Vermögen. Sie soll auf ewig thesaurieren. Das ist im Grunde genommen die Rückkehr zum mittelalterlichen Fideikomiss, mit dem der Adel sein Vermögen im Interesse des Fortbestands der Dynastie vor der Zerschlagung infolge von Erbfällen bewahren wollte. Die Rückkehr in die Zeit vor dem 20. Jahrhundert kann aber nicht die Antwort auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts sein. Die Zerschlagungswirkung des Erbrechts, mit der die Verewigung unternehmerischer Gebilde und großer Vermögensmassen verhindert wird, unterläuft die GmbH-gebV ganz bewusst. Auch im Übrigen ist die GmbH-gebV ein ordnungspolitisch bedenklicher Fremdkörper, denn sie ist für neue Eigenkapitalgeber, die ein Interesse an Verzinsung ihres Kapitals haben, uninteressant. Als Alternative bleibt nur die Fremdfinanzierung. Sobald diese in der Krise austrocknet, bleibt unweigerlich nur die Insolvenz – ohne Chance, das Unternehmen durch frisches Eigenkapital zu retten. Das ist nicht nachhaltig, sondern kurzsichtig. Schließlich wird der disziplinierende und motivierende Effekt, den normalerweise das Ausschüttungsinteresse der Gesellschafter auf das Management hat, aufgegeben. Es ist naiv zu glauben, dass es immer gelingen wird, ausreichend intrinsisch motivierte Gesellschafter zu finden. Der Erfolg oder das Scheitern eines Unternehmens sind aber fast niemals nur die Privatsache der Gesellschafter, denn an einem Unternehmen hängen in der Regel eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, Lieferanten- sowie Kundenbeziehungen sowie Interessen der öffentlichen Hand.

Zweitens führt die GmbH-gebV zu Gerechtigkeitslücken und Kontrolldefiziten. Zwar sieht der Entwurf der GmbH-gebV keine unmittelbare steuerliche Privilegierung vor, kann sich aber die niedrige steuerliche Belastung thesaurierter Gewinne auf ewig zunutze machen, ohne dass es zum Ausgleich durch die nachgelagerte Besteuerung der später ausgeschütteten Gewinne auf Gesellschafterebene kommt. Vor allem wird das in der GmbH-gebV entstehende Vermögen dauerhaft der Schenkungs- und Erbschaftsteuer entzogen, weil sich diese Steuer bei einem Anteilsübergang nur an der geleisteten Einlage orientiert. Solche Privilegierung kennen wir bislang nur bei der gemeinnützigen Stiftung oder gemeinnützigen GmbH. Wenn man das auf eine erwerbswirtschaftlich tätige Körperschaft ausdehnt, wirft das ernsthafte Fragen der steuerlichen Veranlagungsgerechtigkeit auf, zumal die GmbH-gebV diese Vorteile ohne jede staatliche Aufsicht erhält, anders als die Stiftung bürgerlichen Rechts, die der staatlichen Stiftungsaufsicht unterliegt, etwa mit Blick auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die Einhaltung der Stiftungszwecke.

"Es steht schon heute den Gesellschaftern frei, nichts aus dem Unternehmen herauszuziehen."

Schließlich deckt die GmbH-gebV einen Bedarf, den es in Wahrheit nicht gibt. Gerechtfertigt wird sie mit dem Bedürfnis, unternehmerisches Tun von den Profitinteressen der Eigentümer zu befreien. In der Tat gibt es Gesellschafter, die ganz explizit davon absehen wollen, ihrem (geerbten) Unternehmen Mittel zu entziehen, um ihre privaten Bedürfnisse zu befrieden. Es steht ihnen indes auch heute schon frei, nichts aus dem Unternehmen herauszuziehen. Gerade in Familiengesellschaften sehen die Gesellschaftsverträge zum Teil äußerst geringe Ausschüttungen vor. Nur in der Aktiengesellschaft gibt es einen Anspruch auf Mindestausschüttung aus dem Bilanzgewinn. Niemand hindert die Gesellschafter einer GmbH oder Personengesellschaft daran, sich auf eine ewige Thesaurierung zu verständigen. Der Einwand der Initiatoren ist, dass diese Verständigung künftig geändert werden könnte. Richtig, aber wer das vermeiden will, der kann heute schon eine Stiftung bürgerlichen Rechts errichten (mit einem jüngst sinnvoll reformierten Stiftungsrecht). Die GmbH-gebV wird dafür nicht gebraucht.

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form im Wirtschaftskanzleien-Spezial der Börsen-Zeitung erschienen.

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