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Das Datengesetz der EU – Freier Fluss von Maschinendaten? | Hengeler Mueller News
Öffentliches Wirtschaftsrecht, Regulierung

Das Datengesetz der EU – Freier Fluss von Maschinendaten?

Bis heute existieren unterschiedliche Auffassungen dazu, wie Daten charakterisiert werden können. Vor einigen Jahren war die These populär, dass Daten das Öl des 21. Jahrhunderts seien – ein Rohstoff, dessen Inhaber ihn durch Analysewerkzeuge veredeln und dann verwerten kann. Die hiermit verbundene Implikation, Daten seien endlich, lehnen viele Stimmen heute ab. Vielmehr mehren sich nun die Fürsprecher eines möglichst freien Flusses von Daten. Sie sehen Daten als öffentliches nicht ausschließliches Gut an, dessen Nutzen durch Teilen maximiert wird.

Rechte der Nutzer auf Zugang zu Maschinendaten

Das Datengesetz der EU (bekannt als European Data Act) zielt auf einen solchen freien Datenfluss ab. Das Gesetz betrifft Daten von vernetzten Geräten und Maschinen sowie Daten, die etwa bei einer Sprachsteuerung smarter Geräte oder bei sonstigen produktbezogenen Dienstleistungen anfallen.

Nach den Plänen der Kommission sollen Hersteller ihre Produkte so konstruieren, dass die Nutzer ihre maschinengenerierten Daten leicht abrufen können. Die Nutzer sollen die Daten mit anderen Unternehmen als den Herstellern teilen und diese Unternehmen ermächtigen können, unmittelbar auf die Daten zuzugreifen. Verstöße gegen diese Pflichten sollen zu hohen Bußgeldern führen. Der Gesetzesentwurf verweist hier auf die Bußgeldvorschriften der Datenschutz-Grundverordnung, die Maximalbeträge in Höhe von EUR 20 Mio bzw. 4 Prozent des weltweiten Umsatzes vorsehen.

Flankiert werden die Pflichten zum Teilen von Daten durch Pflichten von Cloud-Anbietern, ihren Kunden den Wechsel des Anbieters zu erleichtern, und durch Möglichkeiten der EU-Kommission, technische Aspekte des Datenteilens zu standardisieren.

Die Kommission möchte mit dem Datengesetz die Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle fördern und neue Dienstleister am Markt etablieren. Nutzer von vernetzten Geräten und Maschinen sollen ein breiteres Angebot an Aftermarket- und Zusatzdienstleistungen erhalten, etwa vorausschauende Wartungsdienstleistungen oder eine intelligente Ersatzteilwirtschaft. So könnten spezialisierte Dienstleister etwa auf Daten mehrere Maschinen unterschiedlicher Kunden und Hersteller zugreifen und hierdurch ihre Vorhersagen oder ihr sonstiges Angebot aufgrund eines größeren Datensatzes verbessern.

Der freie Fluss von Maschinendaten kann in der Tat die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle beflügeln. Doch nach dem Entwurf des Datengesetzes soll der Datenfluss gerade an zwei wesentlichen Punkten gestoppt werden.

Nur schwache Zugriffsrechte der Hersteller

Erstens sieht der Entwurf gerade kein ausdrückliches gesetzliches Recht der Hersteller vor, auf die Daten zuzugreifen. Dies schwächt die Position der Hersteller gegenüber den Maschinennutzern, denen der Gesetzentwurf ein solches Recht gewährt.

Die Kommission beteuert zwar, dass das Datengesetz die Möglichkeiten der Unternehmen, die Maschinendaten zu verwenden, nicht beschränken soll. Bei näherem Hinsehen ergeben sich jedoch Zweifel, ob der Entwurf die Hersteller tatsächlich hinreichend absichert. So heißt es bereits in den Erwägungsgründen des Datengesetzes sowie später in Artikel 4, dass die Hersteller nur dann auf die Maschinendaten zugreifen können sollen, wenn sie dies mit den Nutzern vertraglich vereinbart haben.

Ein vertraglicher Datenzugang kann sich für die Hersteller als stumpfes Schwert erweisen. Denn nicht alle Nutzer könnten bereit sein, den Herstellern Nutzungsmöglichkeiten einzuräumen, wie die aktuelle Diskussion um die Zuordnung von Pkw-Daten zeigt. Zudem unterwirft das Datengesetz vertraglichen Einschränkungen der gesetzlichen Zugangsansprüche engen Grenzen. Man kann die Regelungen sogar so verstehen, dass die Hersteller den Nutzern nicht mehr verbieten dürfen, ihre Maschinen durch Dritte warten zu lassen.

Es lässt sich diskutieren, ob die Bevorzugung des Nutzers in Bezug auf Maschinendaten gerechtfertigt ist. Die Interessenlage in Bezug auf Maschinendaten ist insbesondere nicht vergleichbar mit derjenigen bei personenbezogenen Daten. Während personenbezogene Daten schon aus grundrechtlichen Erwägungen der jeweiligen Person zugeordnet werden müssen, stehen Maschinendaten wertungsmäßig weder ausschließlich dem Nutzer noch ausschließlich dem Hersteller eines Produkts zu. Vielmehr werden diese Daten durch das Zusammenwirken von Hersteller und Nutzer generiert. Daher sollte der Hersteller mindestens ebenso starke Zugriffsrechte erhalten wie der Nutzer.

Weitreichender Ausschluss von großen Plattformen

Zweitens schränkt das Datengesetz die Möglichkeit zum Datenzugriff durch Plattformen erheblich ein. Maschinennutzer sollen große Plattformen nicht ermächtigen dürfen, die Maschinendaten abzurufen. Das Verbot soll zwar nur für die Daten gelten, zu denen die Nutzer gerade aufgrund des Datengesetzes Zugang haben. Auch hält die Kommission in den Erwägungsgründen fest, dass große Plattformen Daten weiterhin auf anderer Grundlage erhalten dürfen und sie weiterhin bestimmte Dienstleistungen erbringen können sollen. Jedoch sind die Zugriffsmöglichkeiten von Nutzern auf Maschinendaten nach der Logik der Kommission derzeit stark eingeschränkt. Genau aus diesem Grund hat die Kommission das Datengesetz vorgeschlagen. Die Beschränkung des Zugriffsverbots dürfte großen Plattformen daher voraussichtlich wenig Raum für alternative Möglichkeiten zum Datenzugang lassen.

Die Europäische Kommission meint, auf diese Weise den Binnenmarkt zu schützen und Ineffizienzen abzubauen. Sie muss sich jedoch die Frage gefallen lassen, warum sie nicht die Maschinennutzer selbst entscheiden lässt, welchem Unternehmen sie die Daten zur Verfügung stellen möchten.

Keine Förderung der europäischen Datenökonomie durch Verbote

Deutsche und europäische Industrieunternehmen sowie neue Akteure am Markt haben in den letzten Jahren eigene digitale Plattformen für den Geschäftskundenbereich aufgebaut. Dadurch entwickelt sich die Industrie weg vom Hersteller herkömmlicher Produkte hin zum Anbieter digital unterstützter Lösungen.

Der Erfolg dieser Geschäftsmodelle hängt jedoch nicht nur davon ab, dass Maschinendaten frei fließen. Erforderlich ist auch, dass die Nutzer frei entscheiden können, mit wem sie Daten teilen und dass die Hersteller starke Zugangsrechte erhalten.

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