In einer Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof im August 2022 die neuere Verwaltungspraxis der BaFin zur Veröffentlichung von Maßnahmen und Geldbußen aufgrund von Verstößen gegen das Kreditwesengesetz (KWG) bestätigt.
In einem seiner ersten großen Interviews im Oktober 2021 äußerte der neue Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mark Branson im Handelsblatt, dass die BaFin eine neue Aufsichtskultur etablieren müsse, die auch die Bereitschaft beinhalte, auch mal Grenzen auszutesten. Diesen Worten hat die BaFin erste Taten folgen lassen. In zunehmendem Maße erlässt die BaFin Anordnungen und verhängt Geldbußen gegen regulierte Finanzinstitute, insbesondere Banken, oft wegen Mängeln in der Geschäftsorganisation oder bei der Einhaltung von Geldwäschevorschriften. Die BaFin geht zudem verstärkt dazu über, solche Maßnahmen und Geldbußen nach Bestandskraft in nicht anonymisierter Form auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.
Neben der Belastung durch Mängelbeseitigungsanordnungen und andere Eingriffsmaßnahmen als solche, sorgen sich die Institute vor allem vor den Veröffentlichungen derartiger Anordnungen. Die Institute fürchten den Reputationsschaden, den das "naming and shaming" der BaFin gegenüber relevanten Stakeholdern, insbesondere Kunden, Geschäftspartnern und Investoren, verursachen kann. Die Adressaten von BaFin-Anordnungen erwägen daher zunehmend, nicht nur gegen die angeordneten Maßnahmen, sondern auch gegen deren Veröffentlichung vorzugehen.
Gerichtliche Rückendeckung
Ein aktueller Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH Kassel, Az. 6B 134/22), der in zweiter Instanz für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der BaFin zuständig ist, hat sich nun in einem Beschluss hinter die Verwaltungspraxis der BaFin gestellt. Die Entscheidung des Gerichts bestätigt, dass die BaFin nach dem Kreditwesengesetz (KWG) grundsätzlich verpflichtet ist, Maßnahmen, die sie wegen Verstößen gegen das KWG verhängt, in nicht-anonymisierter Form zu veröffentlichen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die BaFin von einer solchen Veröffentlichung absehen oder die Maßnahmen in anonymisierter Form veröffentlichen. Der in der Praxis wichtigste Ausnahmefall sind Maßnahmen gegen Geschäftsleiter, wenn und weil eine nicht-anonymisierte Veröffentlichung deren Persönlichkeitsrechte verletzen würde oder sonst unverhältnismäßig wäre.
Das Gericht betonte in den Gründen seines Beschlusses, dass der Gesetzgeber mit der Regelung auch wirtschaftlich negative Auswirkungen der Veröffentlichung für den Adressaten beabsichtigt hat, damit sie eine abschreckende Wirkung entfaltet.
"Naming and Shaming" wird neue Normalität
Auch wenn die Entscheidung des Gerichts nur in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen ist, ist sie ein deutliches Zeichen dafür, dass die Verwaltungsgerichte in den meisten Fällen die Veröffentlichung von bestandskräftigen BaFin-Maßnahmen für rechtmäßig halten werden. Adressaten von BaFin-Maßnahmen müssen daher noch stärker als bislang damit rechnen, dass die BaFin von ihrer "Naming and Shaming"-Befugnis Gebrauch machen wird und Rechtsbehelfe dagegen wenig Erfolg versprechen. Dies dürfte die Compliance-Anreize von Instituten verstärken. Gleichzeitig könnte der mit einer BaFin-Veröffentlichung verbundene Reputationsschaden für Institute mit der Zeit abnehmen, wenn die Zahl der Veröffentlichungen weiter zunimmt und die Veröffentlichung von BaFin-Maßnahmen damit zu einer neuen Normalität wird.